Kein Raum für Missbrauch an der Pestalozzischule Neuötting

Sonderpädagogisches Förderzentrum auf dem Weg zum Schutzkonzept

Passend zur neuen Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ der Unabhängigen Beauftragten zu Fragen des sexuellen Missbrauchs, Kerstin Clauß, hat sich das Sonderpädagogische Förderzentrum, die Pestalozzischule, als eine der ersten Schulen im Landkreis Altötting auf den Weg gemacht, ein Schutzkonzept zu erstellen.

Schulen sind, anders als Kindertagesstätten, aktuell noch nicht dazu verpflichtet ein Schutzkonzept zu erstellen. Trotzdem sehen sich die Lehrkräfte der Pestalozzischule  in der Pflicht, ihre Schüler*innen zu schützen und ihnen kompetent helfen zu können. Unterstützt wird die Schule dabei vom Verein „Pro Präventiv im Landkreis Altötting“ sowie vom Verein „Frauen helfen Frauen“ in Burghausen.

Statistisch gesehen sitzen in jeder Schulklasse 1-2 Kinder, die bereits Erfahrung mit sexualisierter Gewalt gemacht haben. Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehören außerdem zu einer besonders gefährdeten Gruppe.

Nach einer Information am Schuljahresanfang über Bausteine eines Schutzkonzeptes für Lehrkräfte und Elternbeirat trafen sich am Buß- und Bettag rund 70 Lehrkräfte zum pädagogischen Tag, um einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Schutzkonzept zu gehen. Nach einer regen Diskussion zu Grenzverletzung, Grenzüberschreitung und strafrechtlich relevanten Taten wurde versucht, die verschiedenen Bedürfnisse von Kindern der Schulvorbereitenden Einrichtung bis zu Jugendlichen in der 9. Jahrgangsstufe zu berücksichtigen. Aus dieser ersten Annäherung wird ein Verhaltenskodex erarbeitet werden.

Der Schulleiterin Anna Maria Besold geht es nicht darum, möglichst schnell „ein Schutzkonzept für die Schublade“ zu erarbeiten, sondern der Weg dorthin ist das Ziel. Die Beschäftigung mit dem Thema, mit den verschiedenen Bausteinen ist nötig, um in Gesprächen und Workshops mit allen Beteiligten, auch den Schüler*innen und deren Eltern, ausreichend Wissen zu vermitteln und einen gemeinsamen Konsens zu finden, damit die Schule ein Schutz- und Kompetenzort sein kann. Die Lehrerin Kathrin Feldbacher stellte die interaktive Onlineschulung „Was ist los mit Jaron“ vor, die alle Lehrkräfte bis Anfang nächsten Jahres absolvieren werden. Die Buchvorstellung „Sensible Schule“ rundete das Thema ab. Da sexueller Missbrauch in der Regel vom Täter sehr genau geplant wird, ist allein die Beschäftigung und Information mit der Thematik schon ein gewisser Schutz.

Als weitere Referentin war Claudia Lewien eingeladen. Frau Lewien arbeitet als Sozialpädagogin am Zentrum für Kinder und Jugendliche Inn-Salzach. Beide Institutionen verbindet eine langjährige Kooperation im Kinderschutz. Eine weitere Expertise von Frau Lewien ist die Erstellung von Schutzkonzepten in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche der evangelischen Kirche in der Region. Um die Probleme im schulischen Umfeld genauer zu hinterfragen, stellte die Referentin nach der Erläuterung von Täterstrategien Möglichkeiten einer Risikoanalyse dar. Diese wurden in mehreren Gruppen exemplarisch von den Lehrkräften für den Standort Sebastiansplatz bearbeitet und werden nun für alle vier Standorte der Pestalozzischule sowie den öffentlichen Medienauftritten der Schule genauer untersucht und nach Möglichkeit so geändert, dass Gefahren minimiert werden.

Nach der Mittagspause, für die Schüler*innen der vierten Klasse am Tag zuvor eigens für die Lehrkräfte einen bestens schmeckenden Kichererbsen-Süßkartoffeleintopf gekocht hatten, ging es am Nachmittag mit einer Vorstellung des Vereins „ Frauen helfen Frauen“ weiter. Frau Barbara Kamelger-Lutz stellte die Beratungsstelle in Burghausen und deren Arbeitsweise vor. Gerade in einem konkreten Aufdeckungsfall sei es für Lehrkräfte wichtig, einen unabhängigen, externen Ansprechpartner zu haben. Auch im Sinne von Selbstfürsorge, da die Unterstützung von Betroffenen sexualisierter Gewalt sehr belastend sein kann.

Die Bedeutung von Mitschüler*innen für die „Peer-Disclosure“, also Gleichaltrige als Ansprechpartner*in für betroffene Kinder und Jugendliche, die Information der weiteren schulischen Mitarbeiter*innen sowie von Eltern und Erziehungsberechtigen, werden die nächsten Schritte auf dem Weg zum Schutzkonzept der Pestalozzischule sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert